Der niederländische Oberste Gerichtshof schafft Klarheit über Mietminderung bei Geschäftsräumen infolge der Corona-Maßnahmen

 

Am 24. Dezember 2021 entschied der Oberste Gerichtshof der Niederlande (Hoge Raad der Nederlanden) über die Möglichkeit einer Mietminderung für Mieter von Geschäftsräumen im Sinne von Artikel 7:290 des niederländischen Bürgerlichen Gesetzbuchs, aufgrund unvorhergesehener Umstände in Folge der von der Regierung auferlegten Corona-Maßnahmen.

 

Vorgelegte Fragen

Anlass für das Urteil war ein Mietverfahren vor dem Amtsgericht Limburg, in dem es um die Frage ging, ob ein Teil der Miete infolge der Corona-Maßnahmen geringer sein sollte als die vertraglich vereinbarte Miete. Zu diesem Zweck hat das Amtsgericht dem Obersten Gerichtshof am 21. März 2021 die folgenden Vorfragen vorgelegt:

  1. Ist die staatlich verordnete Schließung des Hotel- und Gaststättengewerbes infolge der Corona-Krise ein Mangel im Sinne von Artikel 7:204 Absatz 2  des niederländischen Bürgerlichen Gesetzbuchs?
  2. Wenn ja, nach welchen Kriterien ist der Umfang der Mietminderung zu beurteilen?
  3. (Oder) Stellt die Beschränkung der Nutzung des Mietobjekts einen unvorhergesehenen Umstand dar, der zu einer Mietminderung führen kann?
  4. Wenn ja, welche Umstände sind im Einzelfall bei der Festsetzung oder der Aufteilung des Schadens zu berücksichtigen?  

 

Erste und zweite Vorfrage

In Bezug auf die ersten beiden Vorfragen fällt das Urteil des Obersten Gerichtshofs kurz aus. Er stellt fest, dass aus der Entstehungsgeschichte von Artikel 7:204 des niederländischen Bürgerlichen Gesetzbuchs nicht zu entnehmen ist, dass allgemeine staatliche Maßnahmen, die auf eine Einschränkung der Geschäftstätigkeit abzielen und für die Parteien nicht vorhersehbar sind - wie die staatlich verordnete Schließung des Gaststättengewerbes und anderer Geschäftsräume infolge der Corona-Pandemie - als Mangel anzusehen sind. Ferner ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes nicht, dass der Mieter erwarten kann, dass der Vermieter ihn für solche Einschränkungen entschädigen muss. Der Oberste Gerichtshof entschied daher, dass die obligatorische Schließung von so genannten "290 Geschäftsräumen" als Folge der Corona-Pandemie nicht als Mangel im Sinne von Artikel 7:204 Absatz 2 des niederländischen Bürgerlichen Gesetzbuchs (Frage eins) angesehen werden kann. Die zweite Frage bedurfte daher keiner weiteren Prüfung.

 

Vorfrage drei

Zur Beantwortung der Fragen drei und vier stellt der Oberste Gerichtshof zunächst fest, dass sich sein Urteil (i) auf alle Geschäftsräume im Sinne von Abschnitt 7:290 des niederländischen Bürgerlichen Gesetzbuchs (d. h. nicht nur auf das Hotel- und Gaststättengewerbe) und (ii) nicht nur auf Schließungen, sondern auch auf andere staatliche Maßnahmen (einschließlich staatlicher Maßnahmen wie Empfehlungen) im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie bezieht, die zur Folge haben, dass das Mietobjekt nicht oder nur eingeschränkt genutzt werden kann, in dem Sinne, dass weniger Kunden das Mietobjekt aufsuchen.

 

Vor der Beantwortung der dritten Vorfrage definiert der Oberste Gerichtshof den Begriff des unvorhergesehenen Umstands wie folgt: Ein unvorhergesehener Umstand ist ein Umstand, der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch in der Zukunft liegt und nicht berücksichtigt worden ist. Ob Letzteres der Fall ist, muss durch Auslegung des Vertrages ermittelt werden.

 

Der Oberste Gerichtshof stellte fest: "Der Umstand, dass ein Mieter, der für seinen Umsatz auf den Publikumsverkehr angewiesen ist, infolge staatlicher Maßnahmen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie die von ihm gemieteten 290 Geschäftsräume nicht oder nur eingeschränkt nutzen kann, stellt bei einem vor dem 15. März 2020 abgeschlossenen Mietvertrag mangels konkreter gegenteiliger Anhaltspunkte einen unvorhergesehenen Umstand im Sinne von Artikel 6:258 des niederländischen Bürgerlichen Gesetzbuchs dar, auf dessen Grundlage das Gericht den Mietvertrag durch Herabsetzung des Mietzinses anpassen kann".

 

Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs kann in dem oben geschilderten Fall davon ausgegangen werden, dass der Wert des Nutzungsrechts an der Mietsache so stark gesunken ist, dass die Gleichwertigkeit zwischen den gegenseitigen Leistungen von Vermieter und Mieter wesentlich gestört ist. Zudem geht dieser Umstand nach allgemein anerkannten Maßstäben nicht allein zu Lasten des Mieters. Infolgedessen kann der Vermieter nach den Maßstäben von Treu und Glauben (redelijkheid en billijkheid) nicht mehr die vollständige Zahlung der vereinbarten Miete verlangen. Das Gericht kann daher die Miete aufgrund unvorhergesehener Umstände herabsetzen.

 

Vorfrage vier

Der Oberste Gerichtshof stellte fest, dass Schäden, die infolge der Corona-Pandemie der staatlich verhängten Maßnahmen entstanden sind, in der Regel weder in den Risikobereich des Vermieters noch des Mieters fallen. Die Störung des Äquivalenzinteresses zwischen den gegenseitigen Leistungen des Vermieters und des Mieters wird daher nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs am besten dadurch überwunden, dass der Schaden - soweit er nicht bereits durch die finanzielle Unterstützung des Mieters durch den Staat in Form von Überbrückungshilfen ausgeglichen wird - zu gleichen Teilen zwischen dem Vermieter und dem Mieter aufgeteilt wird.

 

Bei der Berechnung der Mietminderung wählt der Oberste Gerichtshof die Festkostenmethode (vastelastenmethode). Aus ihrer Anwendung ergibt sich ein Prozentsatz, um den die vertraglich vereinbarte Miete gemindert werden kann. Der Oberste Gerichtshof führt in seinem Urteil ein ausführliches Berechnungsbeispiel auf, das eine Orientierung bietet, wie die Miete angepasst werden kann.

 

Wenn Sie aufgrund der obigen Ausführungen Fragen haben oder wenn Sie allgemeine Fragen zur Vermietung und Verpachtung von Geschäfts- oder Büroräumen haben, wenden Sie sich bitte an Rens M.R. Berrevoets: 020-3122879 oder rens.berrevoets@heussen-law.nl oder an Sandy van der Schaaf: 020-3122810 oder sandy.van.der.schaaf@heussen-law.nl.

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